Ich bin Paula, 22 Jahre alt, und wohne studiere eigentlich Musikwissenschaft in Weimar, einer kleinen Stadt mitten in Deutschland. Zurzeit lebe ich aber in Pittsburgh, wo ich beim Pittsburgh Symphony Orchestra ein Praktikum im Künstler- und Orchestermanagement mache.
1. Warum bist du ins Ausland umgezogen?
In den letzten Jahren hat es mich immer wieder ins Ausland gezogen, meist nur für Urlaube oder Exkursionen im Rahmen meines Studiums. Als Studierende hat man so viele Möglichkeiten ins Ausland zu gehen und dabei auch noch vom Staat gefördert zu werden, dass für mich schnell klar war, dass ich mindestens ein Semester ins Ausland verschwinden werde. Da mir mein Studium in Deutschland sehr gefällt, reifte in mir der Plan eines Auslandspraktikums. Nach zahlreichen erfolglosen Bewerbungen (nicht aufgeben, Leute, das Kämpfen lohnt sich!) bin ich schließlich beim Pittsburgh Symphony Orchestra gelandet.
2. Woher hast du (beziehst) du dein Auskommen (Einkommen)?
Das ist nun wirklich etwas schwieriger … In Deutschland sind mittlerweile immer mehr Praktika bezahlt, vor allem wenn sie über einen längeren Zeitraum gehen. Hier bekomme ich allerdings keinen Cent! Andere Praktikanten beim Pittsburgh Symphony Orchestra werden von ihren Universitäten hier bezahlt, aber da ich hier nicht offiziell studiere, fällt das für mich weg. Meine eigene Hochschule unterstützt mich mit sagenhaften 100€ - das hätten sie sich dann auch schon fast sparen können, das sind mehr Almosen als wirkliche Unterstützung! Aber zum Glück gibt es vom Staat noch zahlreiche Förderprogramme. Die meisten greifen zwar nur bei Praktika in Europa, aber durch PROMOS werde ich sehr stark gefördert. Allerdings entspricht diese Summe „nur“ meiner Miete, die ich hier zahle, deswegen werde ich noch von meinen Eltern und Großeltern unterstützt, und habe außerdem in den letzten Jahren viel angespart. Ohne meine Ersparnisse wäre dieses Praktikum hier nicht möglich gewesen.
3. Wie oft kommunizierst du mit deiner Familie und mit deinen Freunden, die noch in Deutschland wohnen? Und wie (Skype, Facebook, usw…)?
Mit meinen Eltern telefoniere ich ca. einmal pro Woche über Whatsapp, für Skype reicht die Internetqualität nicht aus. Mit meinem Freund skype ich fast jeden Tag (sein Internet scheint also deutlich besser zu sein als das meiner Eltern) und mit einigen Freunden bin ich über Whatsapp oder Facebook in Kontakt. Wobei ich meine Freunde in Deutschland zurzeit etwas vernachlässige, da ich von meinem Leben und meinen Freunden hier voll eingespannt bin. Außerdem bin ich ja hierher gekommen, um mein Englisch zu verbessern, Amerikaner und ihre Kultur kennen zu lernen. Und nicht, um ständig nur zurück nach Deutschland zu blicken.
4. Was liebst du am meisten in Pittsburgh?
Ich liebe die offene Art der Amerikaner, die mir sehr geholfen hat, mich hier sofort zuhause zu fühlen. Manche Klischees stimmen eben doch. Obwohl man da manchmal schon zwischen dem „How are you?“ – das zwar nett klingt, worauf man aber lieber keine ehrliche Antwort geben sollte, da das meist nicht erwünscht ist – und der wirklichen Offenheit und dem Interesse unterscheiden muss, das natürlich dann wieder nicht alle Amerikaner an den Tag legen. Aber doch deutlich mehr als in Deutschland, wo niemand einen Fremden spontan zu Thanksgiving einladen (abgesehen davon, dass es dieses Fest in Deutschland nicht gibt) oder ein verlorenes Mädchen aus einem fremden Land zwei Monate bei sich wohnen lassen würde.
5. Was ärgert dich am meisten in Pittsburgh?
Der öffentliche Personennahverkehr ist eine Katastrophe, obwohl er für amerikanische Verhältnisse angeblich sehr gut sein soll. Wer hier kein Auto hat, braucht von A nach B gerne dreimal so lange wie mit dem Auto, da die Busse an JEDER Querstraße halten.
Auch das fehlende Umweltbewusstsein ärgert mich immer wieder. Beim Einkaufen wird man mit Unmengen an Plastiktüten eingedeckt, weil immer in gleich zwei Tüten gepackt wird – eine davon könnte ja reißen. Natürlich bringe ich immer meine eigene Tasche mit, wofür ich schon des Öfteren sehr seltsam beäugt wurde, trotzdem macht es mich jedes Mal wütend wenn ich sehe, wie andere Leute mit 20 Plastiktüten den Laden verlassen.
6. Was fehlt dir am meisten?
Brot! Gar keine Frage! Brot!
Meine Kollegen behaupten zwar, im WholeFoods gäbe es gutes Brot, aber auch das ist lätschig, ohne Kruste, und schmeckt nach nichts. Eigentlich müsste ich selbst backen, das wäre die einzige akzeptable Lösung, aber dafür fehlt mir ein scharfes Brotmesser, und eigentlich möchte ich vermeiden, hier so viel Kram zu kaufen, den ich in wenigen Monaten dann irgendwie wieder zurück nach Deutschland schleppen oder loswerden muss. Ich weiß, ein lausiges Argument, aber im Brot backen war ich halt noch nie wirklich gut. Dann doch lieber das von WholeFoods.
7. Was hast du getan, um neue Leute zu treffen und dich in dein neues Zuhause zu integrieren?
Anfangs hatte ich wirklich Schwierigkeiten damit, mittlerweile komme ich schon fast in Freizeitstress. Ich habe versucht, Kontakt zu anderen Praktikanten und Musikern im Pittsburgh Symphony Orchestra aufzubauen, was wirklich Langfristiges hat sich aber nur mit einer der Praktikantinnen ergeben. Eine Zeit lang war ich auch Mitglied in einer Pittsburgh Social Group auf Facebook, und habe da ab und zu was mit Anderen unternommen. Richtige Freundschaften entstanden aber erst, als die Praktikantin mich mit in die Kirche genommen hat. Dort hab ich mittlerweile richtig viele Leute kennen gelernt, Freunde und sogar so etwas wie eine Ersatz-Familie gefunden.
8. Welche Gewohnheit findest du am seltsamste (seltsamsten) um (in) deine (deiner) Wahlheimat?
„How are you?“ zu fragen, ohne eine Antwort zu erwarten, ja sie sogar eigentlich gar nicht hören zu wollen. Ich fühle mich immer noch unwohl, wenn ich darauf nur mit der Gegenfrage antworte. Deswegen ist „Good, and you?“ zu meiner Standardantwort geworden – egal ob das der Wahrheit entspricht oder nicht.
9. Was ist ein Mythos über deine Wahlheimat?
Aller Amerikaner essen nur Burger, Pommes und Chicken Wings. Klar, hier gibt es viel mehr Fastfood als in Deutschland. Und auch mehr dicke Menschen (wobei Deutschland da schon gut aufholt). Dennoch gibt es hier auch Fastfood, das nicht vor Fett trieft, man hat hier schlicht mehr Auswahl als nur McDonalds oder Burger King, was wirklich die schlechtesten Alternativen sind. In den Supermärkten findet man dagegen sehr viel gesundes Essen und vor allem sehr viel glutenfreies Essen, wovon sich die Läden in Deutschland noch einiges abschauen könnten.
10. Welchen Rat würdest du anderen Expats geben?
Offen sein, auf Leute zugehen. Nicht aufgeben, egal wie schwer ein Start in einem neuen Land manchmal sein kann. Denn alle Anstrengung ist es wert, wenn man dafür eine neue Kultur kennenlernt, neue Menschen mit anderen Gewohnheiten, Traditionen und Meinungen. Einfach mal den Kopf frei machen und den Horizont erweitern, denn der eigene ist doch immer sehr beengt.
11. Wann und warum hast du dein Blog begonnen?
Ich hatte keine Lust, meinen Eltern, meinen Großeltern, meiner Schwester, meinem Freund und meinen Freunden einzeln zu erzählen, was ich hier erlebe und wie es mir geht. Ich liebe das Schreiben, bei dem ich meine Erlebnisse am besten verarbeiten kann und wollte auch für mich eine einzigartige Erinnerung an dieses Auslandspraktikum schaffen.
12. Wie ist dein Blog nutzbringend?
Mir selbst bietet er die Möglichkeit, meine Erfahrungen und Gedanken aufzuschreiben, und sie mit meinen Bildern gemeinsam zu einer tollen Erinnerung werden zu lassen. Meine Familie und Freunde bleiben so wenigstens einigermaßen auf dem neuesten Stand, ohne dass ich alle Geschichten zehn Mal erzählen muss. Und vielleicht lesen ihn ja auch noch ein paar andere, denen meine Erfahrungen weiterhelfen oder in ihnen Fernweh wecken und die Lust, Neues kennenzulernen.
Blog: Hello Goodbye
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